Veranstaltet und organisiert vom Architekturrat der Schweiz, dem BSA Bund Schweizer Architektinnen und Architekten und dem SIA Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, am Freitag, 26. Januar 2024, 10:00 – 16:30 Uhr im Unternehmen Mitte, Gerbergasse 30, Basel
Am Freitag, den 26. Januar 2024 fand der zweite, vom Architekturrat der Schweiz initiierte Workshop zum Berufsbild Architekt:in im Unternehmen Mitte in Basel statt. Aufbauend auf dem ersten Workshop (Mai 2023 in Winterthur) wurde eine zweite Tagung aus der Sicht der beiden Berufsverbände BSA und SIA organisiert mit dem Ziel, aus der Praxis heraus zu verstehen, wie sich das Berufsbild in der Architektur abbildet und zukünftig entwickeln wird:
Architektur ist eine vielfältige Disziplin. Die Arbeit und die Anforderungen unterscheiden sich zum Teil gewaltig. Eine global agierende Architekturfirma funktioniert anders als ein mittelgrosses Schweizer Büro und nochmals anders als ein Kollektiv, das sich ganz dem nachhaltigen Planen und Bauen verschrieben hat. Gleichzeitig verändert sich das Verständnis und damit das Berufsbild der Architektur: Wohin wird es sich entwickeln und welche Auswirkungen hat das auf die Lehre? BSA und SIA laden Vertreter:innen der Architekturschulen ein zu einem praxisnahen Austausch mit Praktiker:innen aus allen Regionen der Schweiz. (Auszug Ankündigung BSA)
Der Tag kreiste vor allem um die Frage, ob und wie sich in einer Zeit des Wandels und der Krisen das Berufsbild verändert und darin eine Diversität innerhalb einer generalistischen Disziplin abbilden kann. Am Vormittag wurde ein Überblick über unterschiedliche Büropraktiken und --formationen geschaffen – von kleinen Büros bis hin zu mitteleren und grossen, von internationalen zu lokalen, als Kollektiv oder Individuen agierende Architekturschaffende.
Hierbei ging es vor allem darum, zu diskutieren, WIE man arbeitet – das heisst einen Einblick über die Art und Weise der Arbeit zu erhalten und weniger über die Projekte an sich.
In einem zweiten Teil wurde in moderierten Workshops die bereits bestehende Grundlage des Berufsbilds diskutiert, die im August 2019 von der Conférence Suisse des Architectes CSA formuliert wurde. Besprochen wurde das Berufsbild unter den heutigen Bedingungen und in welcher Form sich das Berufsbild der Architekt:innen verändert und welche Auswirkungen diese Veränderung auf die Lehre hat.
1. Büro: 8000.agency – Oliver Burch
- 2020 ETHZ Master Architektur
- Gründung 8000.agency mit Jakob Junghanss und Lukas Ryffel noch während des Studiums
- Seit 2021 ist das Kollektiv Teil des Lehrstuhls von Jan De Vylder und erforscht den Stadtumbau gemeinsam mit Studierenden der ETH
- 8000.agency ist aktueller Stipendiat des BSA-Forschungsstipendiums. Die Arbeit wird bald abgeschlossen und bereits im Frühling soll die Publikation dazu erscheinen.
- Die drei sind ausserdem Mitglied des Kollektivs ZAS*, das sich aktivistisch und journalistisch organisiert.
- ZAS* organisierte 2022 auf eigene Faust einen experimentellen Projektwettbewerb für 3 Hochhäuser aus den 1960er Jahre, die abgebrochen werden sollen.
Die aktuellen Herausforderungen wie Klimakrise, Wohnungsnot, Digitalisierung und demographischer Wandel bilden die Ausgangslage für die Arbeit von 8000.agency. Das Architekturkollektiv arbeitet auf verschiedenen Ebenen und beschäftigt sich vor allem mit Transformationsprozessen und der Beobachtung und Interaktion mit Bewohnern, Akteurinnen und der Öffentlichkeit. 8000.agency beteiligt sich an Planungsaufträgen und Wettbewerben in den Bereichen Architektur, Landschaft und Städtebau und arbeitet an Ausstellungen, Vorträgen, Spaziergängen und Aktionen in breiter Zusammenarbeit mit anderen Partner:innen. Seit 2021 ist das Kollektiv Teil des Lehrstuhls von Jan De Vylder und erforscht den Stadtumbau gemeinsam mit Studierenden der ETH. Ab Herbst 2024 sind sie Gastdozenten am neuen Master-Studiengang der Architekturwerkstatt der OST St. Gallen.
2. Dozierende der BFH Burgdorf: Anna MacIver-Ek, Axel Chevroulet: Bericht aus der Lehre
- Anna MacIver-Ek: USI Mendrisio Bachelor und 2020 ETHZ Master Architektur
- Axel Chevroulet: Studium EPFL und KADK Kopenhagen, Master an der ETH Zürich
- 2021 Schweizer Kunstpreis in Architekur
- Beide sind Mitgründer des Kollektivs «la-clique», eine Plattform für den Austausch und das Experimentieren im Bereich der Architektur
- Seit August 2023 sind sie Dozentin und Dozent für Architektur und Entwurf im Studiengang Bachelor an der Berner Fachhochschule
Anna MacIver-Ek und Axel Chevroulet sind Mitgründer:innen des Schweizer Kollektivs «la-clique». Im Bachelor Architektur der BFH unterrichten sie das Entwurfsatelier des 1. Jahres. Wichtige Themen sind interdisziplinäre Arbeitsformen, kollaboratives Design und Nachhaltigkeit. In ihrer Lehrtätigkeit spielen Verben wie reaktivieren, improvisieren, kollaborieren, herausfordern und handeln eine wesentliche Rolle.
3. Koordinator:innen der Curriculumsrevision an der ETH Zürich: Steffen Hägele & Angelika Hinterbrandner – Input Stand Curriculumsrevision
- Steffen Hägele: 2012 ETHZ Master Architektur, Assistent bei an der EPFL und an der ETHZ
- Gemeinsam mit Tina Küng führt er das Architekturbüro DU Studio, Zürich – Detour Universe
- Angelika Hinterbrandner studierte an der TU Graz und der Universität der Künste in Berlin, seit 2021 ist sie Assistentin an der ETH Zürich
- Sie gründete 2018 ein eigenes Architekturbüro
- Steffen Hägele und Angelika Hinterbrandner koordinieren an der ETH Zürich die Curriculum-Revision des Studiengangs Architektur
In der Arbeit für die Curriculumsrevison sind nicht nur die tatsächlichen Inhalte des ETH BSc-Programms von Bedeutung, sondern auch die Rolle, die Architekt:innen in Transformationsprozessen einnehmen, auch hinsichtlich eines «multipolaren» Berufsbildes. Eine Referenz hierfür bildet die (junge) Architekturszene, aber auch allgemein die Baubranche. Ausgehend davon wird formuliert, was ein neues Curriculum braucht und in welcher Form sich das Department als akademisches Milieu des miteinander Lehren & Lernens entwickeln könnte. Im engeren Sinn bezweckt die Revision sowohl grundlegende Kompetenzen als auch die Komplexität abzubilden, und das nicht nur im Entwurf, sondern auch in den mit dem Entwurf in Verbindung stehenden Fächern. Dafür werden vier thematische Felder entwickelt: Arts & Architecture, Histories & Humanities, Environment & Society, Science & Technology. Der Revision geht dabei ein umfassender Partizipationsprozess voraus, der die Konzeption, die Implementierung und die Evaluation beinhaltet. Bei dieser Wissensproduktion sind Studierende, der Mittelbau, Professor:innen und der Stab beteiligt.
4. Büro: FAZ architectes – Tanya Zein und Véronique Favre
- 1996 EPFL Diplom architecture
- Arbeitet in Lissabon, London, Beirut und Genf
- Büro L-architectes in Lausanne mit Sylvie Pfaehler und Jeanne Della Casa, danach Büro in London mit Jean-Paul Jaccaud
- Seit 2016 gemeinsames Büro FAZ architectes in Genf mit Véronique Favre
- 2015-19 Mitglied des Zentralvorstands des BSA
- Tanya Zein ist zur Zeit Lehrbeauftragte an der HEIA in Fribourg
FAZ architectes aus Genf haben ihr Büro um ihre eigenen Werte herum gegründet - hin zu einer «mutigeren Praxis». Darunter verstehen sie, Bestehendes als Wert zu behandeln und mit dem zu arbeiten und das aufzuwerten, was bereits vorhanden ist. Es ist ihnen wichtig, mit «gesunden Materialien» zu arbeiten und den lokalen Kontext vertieft zu kennen und zu begreifen, welche (baukulturelle) Geschichte der Ort mit sich bringt. Dazu gehört auch die Kenntnis des alten Handwerks und die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Handwerkern. Wettbewerbe bilden in ihrer Arbeit ein wichtiges Mittel, um sich selbst immer wieder zu hinterfragen und zu testen, ohne dabei dogmatisch zu werden.
5. Büro: JOM Architekten – Philippe Jorisch
- 2011 ETHZ Master Architektur
- 2014 Gründung JOM Architekten zusammen mit Stefan Oeschger und Michael Metzger
- Seit 2017 freischaffender Autor, unter anderem für die NZZ und für werk, bauen + wohnen
- 2021-23 Präsident der Berufsgruppe Architektur im SIA
Als leitendes Motiv in ihrer Arbeit deklariert JOM die Architektur als die Schnittmenge, die sich durch alle anderen Disziplinen zieht. Das Büro besteht z.Zt aus 16 Personen. 5 Bauprojekte sind in Planung oder Ausführung, ca. 6–12 Studien und Kleinprojekte werden pro Jahr bearbeitet und ca. 4–7 Konkurrenzverfahren pro Jahr (Wohnen, Bildung). Für jedes ihrer Projekte wird ein:e Leiter:in, ein Götti oder eine Gotte und eine externe Person bestimmt. «Netzwerken», «Kommunikation», «Prozesse» und «Bauwende» gehören zu den prägenden Themen und Inhalten im Büro. Sie engagieren sich in der kulturellen Vermittlungsarbeit und Repräsentation, publizieren, und ihnen ist es ein Anliegen, Organisationsformen und Vertragsgrundlagen zu verstehen und anzuwenden. Vor allem begreifen sie aber das Bauen unter den heutigen Herausforderungen als gesellschaftsrelevante und gestalterische Aufgabe.
6. Büro: Herzog & de Meuron – Stefan Marbach
- 1991 Hochbauzeichnerlehre, Studium am Technikum Muttenz, heute Fachhochschule Nordwestschweiz und am Royal Institute of Technology in Stockholm
- seit 1997 bei Herzog & de Meuron, seit 2009 Senior Partner
- seit 2022 Mitglied des Zentralvorstand des BSA
HdeM ist ein Büro, das für Kreativität und Nachhaltigkeit steht. Sie agieren mit z.Zt. 500 Mitarbeitenden unterschiedlichen Alters aus 40 Nationen. Meistens werden zeitgleich zwischen 70-80 Projekte bearbeitet – etwa je ein Drittel innerhalb Europas, in der Schweiz und weltweit. Entscheidend sind Teamwork, dase sich in regelmässige Design Meetings, aber auch konkreter konstruktiver und gestalterische Wissensvermittlung niederschlägt. In Anlehnung an das Davos Quality System mit seinen acht Kriterien für eine hohe Baukultur, verfolgen sie den Anspruch, nachhaltig zu bauen. Immer wieder stellt sich dabei die Frage nach neuen Energiekonzepten in Verbindung mit dem entsprechenden Entwurf und dabei auch neue Potenziale zu entdecken.
Herausfordernd bleibt die ökonomische Realität, ein Büro mit 500 Menschen zu sichern und neben der kreativen und nachhaltigen Planung unternehmerisch zu denken und regelmässig neue Projekte zu akquirieren. Digitale Technologien spielen eine immer grössere Rolle im Büroalltag, bei der u.a. die Potenziale von KI erforscht werden, inkl. der Frage, was KI für den Architektenberuf bedeuten könnte. Gleichzeitig ist sicher, dass das analoge Arbeiten im Büro nicht zu ersetzen ist für den Austausch und dem kontextuellen Denken.
7. Kanton Basel-Stadt: Beat Aeberhard
- 1997 ETHZ Diplom Architektur, 2005 Master in Urban Design Columbia University
- 2008-15 Stadtarchitekt in Zug
- seit 2015 Kantonsbaumeister Basel-Stadt, Leiter Städtebau & Architektur
Die Dienststelle Städtebau & Architektur im Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt umfasst 6 Abteilungen: Raumplanung, Städtebau, Stadtraum, Denkmalpflege, Hochbau und Gebäudemanagement
Die Erkenntnis, das Städtebau und Architektur weit gefasst werden können, bildet sich in der Dienststelle ab, bei der rund 220 Mitarbeitende aus mindestens zehn verschiedenen Berufsgruppen arbeiten. (80 davon arbeiten z.Zt. in der Architektur, 38 in der Gebäudetechnik, 20 in den Sozialwissenschaften / (Kunst-)Geschichte, 17 in der Bauleitung, 16 als Kaufmännische Mitarbeitende, 11 in der Raumplanung / Geografie, 10 in der Verkehrsplanung, 10 in diversen Sparten (Innenarchitektur, Zeichnerinnen, Modellbauer, Archiv…), 8 in der Landschaftsarchitektur und 2 Personen in der Ökonomie.
Architekt:innen braucht es dabei überall und nicht nur im Entwurf: Die rund 80 Architekt:innen bei Städtebau & Architeketur sind nicht unbedingt «klassische» Entwurfsarchitekten und arbeiten in den folgenden Bereichen: als Kantonsbaumeister, im Stab, bei der Fachstelle Umweltgerechtes Planen und Bauen, in der Abt. Städtebau, im Fachsekretariat Stadtbildkommission, in der Abt. Stadtraum, in der Kantonalen Denkmalpflege, in derAbt. Hochbau und der Abt. Gebäudemanagement.
Aktuelle Themen sind das «Weiterbauen», das Bauen mit regenerativen Materialien, die Schwammstadt, der Umgang mit dem Bestand (auch und v.a. aus den 1960er und 1970er Jahren), neue Formen der Zusammenarbeit, Pioniernutzungen, Inventarisation mit partizipativen Elementen. Hinzu kommen eine städtebauliche Begleitgruppe, die Auszeichnung «Gutes Bauen», das «Forum Städtebau», die Dialogtage und der «Tinktank Nachhaltigkeit».
Um all das leisten zu können, ist eine «solide Grundausbildung» mit anschliessender Spezialisierung und Vertiefung auf bestimmte Bereiche notwendig. Es braucht beispielsweise eine Spezialisierung in städtebauliche Kompetenz, Immobilienökonomie, Verhandlungskompetenz, Prozesse entwerfen, Politisches Sensorium, Kollektive Autorenschaft, Baukultur und vor allem eine klare Haltung.
8. Büro: pool Architekten – Raphaël Frei
- 1992 ETHZ Diplom Architektur
- Architekt bei Gigon / Guyer, 1998 Mitgründer pool Architekten
- 2010-12 Gastdozent an der ETHZ, 2013-16 Professur an der TU Berlin
- seit 2022 Mitglied des Baukollegiums der Stadt Zürich
- Engagiert beim Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz SNBS, vertritt dort die Interessen des BSA
pool Architekten ist nach metron in Brugg eines der ersten Kollektive in der Schweiz und umfasst z.Zt. ca. 100 Mitarbeitende. Das Kollektiv ist davon überzeugt, dass gute Architektur aus dem Diskurs entsteht. Dieses Verständnis entwickelte sich u.a. aus ihrer Lehrtätigkeit und aus einem breiten Architekturverständnis heraus, das die Raumplanung genauso beinhaltet wie auch die Pflege des konstruktiven Details.
Aus diesem Kontext heraus und in Verbindung mit der Frage, wie das vorhandene Wissen im Büro angezapft und austauscht werden kann, wurde der «Wissenspool» als Gefäss des Austausches, der Reflexion, Weiterbildung und Wissensvermittlung unter Beizug interner und externer Quellen gegründet. Dabei geht es einerseits um das Lernen aus eigenen Erfahrungen, aber auch dem gezielten Erarbeiten von Konzepten zur Vermittlung und Vermehrung von Wissen.
Der Wissenspool besteht aus verschiedenen Austauschformaten:
- «poolatelier»: Projektbesprechungen zwischen den Projektteams mit den Partner:innen und Associates als wichtigstes, diskursive Gefäss für die Projektentwicklung, der Qualitätssicherung und Erfahrungsaustausch in einem.
- Monatssitzung der Mitarbeitenden: Die Mitarbeitenden präsentieren sich gegenseitig den Stand ihrer Projekte. Dadurch sind alle informiert, was im Büro aktuell läuft und erfahren, wo welche Informationen zu holen sind.
- «Whirlpool»: Wird von den Mitarbeitenden organsiert. Gastvorträge von Externen (neue Produkte, architekturtheoretische Vorträge, Gesellschaftsthemen im Diskurs, methodische Weiterbildung, andere Planende hören, etc.)
- «loop» wurde 2019 als Ausstellungsraum gegründet. Der Projektraum ermöglicht Program me ausserhalb der klassischen Architekturdisziplin und erlaubt verschiedensten Akteur:innen, tätig zu werden.
9. Büro: Atelier Prati Zwartbol, Lea Prati
- Studium ETHZ und TU Delft, Abschluss 2013
- Mitarbeit im Studio Sergison Bates an der Accademia Mendrisio
- 2016 Gründung Atelier Parti Zwartbol zusammen mit Tieme Zwartbol
- Mitgründerin des Kollektivs Indiana
- Aktives Mitglied im Rat der Berufsgruppe Architektur des SIA und im Netzwerk Frau und SIA
Nach dem ersten Wettbewerberfolg stellte sich für das Atelier Prati Zwartbol die Frage, wie man konkret ein Büro gründet und wie man konkret baut. Als junges Büro sind die Werkzeuge noch nicht klar; zwar versteht man einerseits das Programm und das, was die Bauherrschaft möchte, aber gleichzeitig sind Baugesetze und Richtlinien noch nicht geläufig. Es gilt also, sich Wissen selbst anzueigenen – beispielsweise über die Vernetzung mit anderen Büros. Ein Entschluss, der in dieser Situation wesentlich war, war die Zusammenarbeit mit einer externen Bauleitung.
Eine eigene, erweiterte diskursive Reflektion findet neben der Bürotätigkeit innerhalb eines Kollektivs («Indiana Kollektiv») statt, das sich einmal im Monat trifft und zusammen Texte bespricht. Hier besteht der Anspruch, informelles Wissen zu sammeln und dieses in die bauende und praktizierende Architekturwelt einzubringen.
10. Büro: Architektur Lando Rossmaier
- Studium an der TU Dresden und der ETH Zürich, Abschluss 2001
- 2001-05 Architekt bei Herzog & de Meuron, danach bis 2008 bei Miroslav Sik
- 2008 Gründung eigenes Büro
- 2014 Umzug von Zürich nach Ennenda im Kanton Glarus
- 2018-23 Professor an der HSLU
- seit 2014 im Vorstand Heimatschutz Glarus
- seit 2019 im Gestaltungsbeirat Walenstadt
Lando Rossmaiers Atelier befindet sich in Ennenda. Er zog vor 10 Jahren mit Büro und Familie aus der Not heraus als aus strategischer Berechnung von der Stadt Zürich ins Glarnerland. Der grösste Unterschied zu seinem Werdegang zuvor lag nicht mehr von Distanz aus klassisch Projekte zu entwickeln, sondern im «Voll-Kontakt», als «Mitbewohner» involviert zu sein.
In der Mitte des Dorfs Ennenda fand er ein Haus mit einer früheren Metzgerei im Erdgeschoss, bei der die Tür meistens immer offen steht: So werden persönliche Begegnungen aufgebaut und dadurch kommen manchmal auch Direktaufträge zustande. Er kümmert sich eher um alltägliche Dinge als darum, Neues zu entwerfen. Darin steckt auch der Gedanke, nichts vergessen gehen zu lassen. Es geht ihm vor allem darum, als «Kümmerer» da zu sein. Dabei wandeln sich auch manche Entwürfe vom Objekt zum sozialen Akt hin.
Das Büro organisiert sich mit einem Projektleiter pro Projekt. Alle Mitarbeitenden bearbeiten alle Phasen. Viele Mitarbeitenden sind Teil des Netzwerkes im Glarnerland. Es würde sich lohnen, dieses ‚ländliche’ Arbeitsfeld stärker neben den notwendigem urbanen Fokus an den Schulen zu verankern, da es in diesem Bereich zu wenig Expertise gibt, die oft nötig wäre.
11. Büro: Salewski Nater Kretz, Christian Salewski
- Studium 2003 TU Berlin, 1999-2000 EPFL
- Promotion 2010 an der ETHZ
- 2007-16 Oberassistent am Lehrstuhl von Kees Christiaanse an der ETHZ.
- 2012-16 Dozent für Städtebau an der Universität Liechentstein
- 2012-23 Dozent im MAS Raumplanung ETH Zürich
- seit 2012 Dozent an der Curem
- seit 2014 gemeinsames Büro mit Simon Kretz, seit 2022 Salewski Nater Kretz mit Christina Nater
Das Büro Salewski Nater Kretz besteht aus 18 Personen, die Räume für das Zusammenleben schaffen und in vielen Massstäben – im Bestand, im Neubau und Städtebau – entwerfen. Sie bearbeiten eingeladene und selektive Studienaufträge, Testplanungen, Machbarkeitsstudien, Direktaufträge für öffentliche, quasi-öffentliche, institutionelle und private Auftraggeberschaften.
Das Büro sieht und erlebt Raum in seiner Komplexität und Widersprüchlichkeit. Sie hören zu, denn sie haben den Anspruch, nicht für sich selbst zu arbeiten, Kritik ernst nehmen und daraus zu lernen. Sie rechnen und mögen klares, ehrliches Kommunizieren. Sie entwerfen, denn das ist ihr Kerngeschäft und sie haben den Anspruch und auch den (gesellschaftlichen) Auftrag verantwortungsvoll zu handeln.
Vor allem suchen sie die folgenden Fähigkeiten (in absteigender Gewichtung)
Techniken
Ganzheitliche räumliche Wahrnehmung und Vorstellungsvermögen
Räumliches Entwerfen
Dreidimensionales Zeichnen
Zwei- und dreidimensionales Visualisieren (Technik offen)
Arbeitsweise
Freude am Zusammenarbeiten
Emphatie
Selbstkritik
Sportlichkeit: Vorgaben als Potenzial erkennen
Neugierde
Kommunikationsfreude
Grundlagen
Lesen, Rechnen, Verstehen
Sie suchen keine «Fountainheads» – Held:innen und grosse Vereinfacher:innen, «talking heads» – und kein «self-sacrifice». Wer nicht auf sich selbst achtet, kann auch nicht auf andere achten.
12. Büro: studioser, Rina Rolli und Tiziano Schürch
- Rina: 20XX ETHZ Master Architektur
- 2019 Einladung zur Architekturbiennale in São Paolo
- Architektin bei 2A+P/A in Rom und Studio Sito in Zürich
- Assistentin am Lehrstuhl Jan de Vylder an der ETH
- Tiziano: 20XX ETHZ Master Architektur
- seit 2018 Assistenzprofessor an der UPC-ETSAB in Barcelona
- 2023 MAS Raumplanung ETH Zürich
- 2019 Gründung studioser mit Wirkungskreisen in Zürich, Tessin, Barcelona
Rina Rolli und Tiziano Schürch leben und arbeiten in zwei transalpinen Realitäten, in Zürich und Lugano. Zürich bildet für beide ein wichtiger akademischer Ort für den Austausch, während das Tessin der Ort ist, an dem sie aufgewachsen sind und an dem sie hauptsächlich arbeiten. Für sie gibt es verschiedene Arten, um an Aufträge zu kommen. Dazu gehören Wettbewerbe, Direktaufträge; es finden sich aber auch proaktive Wege wie etwa bei der Umgestaltung in kleinen Dorf Monte im Valle Muggio. Hier haben sie mit kleinen Massnahmen und Akupunktur-Eingriffen die Lebensqualität nicht nur von älteren Menschen massgeblich verbessert. Die Lehre ist für sie ein wichtiges Gefäss, um sich zu vernetzen, aber auch um eigene Forschungsprojekte zu initiieren oder um Summer Schools zu organisieren.
Die Eingriffe entstehen dabei immer aus dem örtlichen Kontext. Diese eigene Investition in die Recherche geschieht dabei aus eigenem Antrieb uns ist meistens unbezahlt, aber wesentlich für sie, um den Wert des Ortes sichtbar zu machen und mit seinen Eigenheiten zu verstehen.
Zusammenfassung und Stichpunkte zu den Workshops zum Berufsbild
Gruppe 1
Am Vormittag während der Präsentationen kristallisierten sich drei Themen heraus: Die Diversität der Berufsprofile, die Lust am Diskurs mit verschiedenen Akteuren aus dem Bauwesen und der starke Bezug zum Material.
Gefehlt hat jedoch die politische Dimension und die Eingliederung in die Gesellschaft, die wesentlich für den Diskurs zum Berufsbild ist. Ausserdem wurde sehr wenig über die Digitalisierung gesprochen.
Im zukünftigen Berufsbild der Architekt:innen geht es vor allem darum, die verschiedenen Akteuer:innen aus der Planung und am Bau zu koordinieren.
Gruppe 2
Der Fokus der Diskussion lag auf der Ausbildung. Man sollte sich mehr der Praxis des «Wahrnehmens» zuwenden – nicht nur bezogen auf das Stoffliche, sondern auch bezogen auf sich selbst.
Die Schwerpunkte in der Ausbildung liegen mehr in der Vermittlung von Lebensräumen und auf den sozialen Prozessen darin. Die gilt es, mit unseren Sinnen wahrzunehmen und daraus ins Handeln zu kommen, z.B. zum kritischen Denken.
Auch Snozzi sagte schon, dass wir Architek:innen nicht für den Markt ausbilden, sondern Persönlichkeiten, die Verantwortung übernehmen wollen.
Gruppe 3
Kompetenzen, die Architekt:innen brauchen, sind die zur Raumgestaltung, zur Konstruktion und Form und die des gesellschaftlich relevanten Denkens. Architek:innen müssen sich trauen, im Spekulativen zu arbeiten und auch, sich auf neuem Terrain zu bewegen bzw. neue Ansätze zu entwickeln.
Das bisherige Berufsbild hinterlässt aus der heutigen Perspektive einen «romantischen» Eindruck. Die Zweifel, die der Beruf mit sich bringt, oder die eher widersprüchlichen Aspekte sollten auch zum Ausdruck gebracht werden.
Gruppe 4
Es gibt weder nur die einen Architekt:innen noch das eine Berufsbild. Das Berufsbild in der Architektur ist divers. Fähigkeiten und Kompetenzen, die Architekt:innen beherrschen müssten, sind u.a. die des kritischen Denkens, auch gegenüber dem Bild sowie das kritische Analysieren, der Raumgestaltung, das konzeptuelles Denken, das ziel- und lösungsorientiert Denken und Arbeiten, Prozesse gestalten zu können, komplex und interdisziplinär zu denken, fortlaufend zu lernen, Wissen auf unterschiedliche Art und Weise zu vermitteln. Weiterhin gilt es, einen gemeinsamen Nenner zu suchen, so dass sich die Hochschulen gemeinsam positionieren können.
Gruppe 5
Die Rollen der Architekt:innen werden deutlicher, in dem man die wesentlichen Kompetenzen auflistet, die sie schon in der Ausbildung vermittelt bekommen sollten. Dazu gehören das politische und gesellschaftskritische Denken, auch teilweise gegenüber dem Markt; die Fähigkeit, Informationen zu filtern und die Kapazität, vernetzt zu denken. Zu lernen, Informationen nicht einfach aus dem Netz zu sammeln, sondern zu filtern und zu kuratieren. Vor allem geht es darum, Werte für eine zukünftige Gesellschaft vorzuschlagen.
Gruppe 6
Das Berufsbild der Architekt:innen wird mit einem «Blumenstrauss» verglichen, einer Vielfalt von Themen. Die Frage ist, wo und wie der Blumenstrauss zusammengehalten wird und was uns verbindet. Was ist die gemeinsame Basis in unserem Beruf? Auf jeden Fall ist ein Teil das gemeinsame Arbeiten in Workshops, in dem ein Prozesses sichtbar wird Teil davon.
Gruppe 7
Es stellt sich die Frage, ob man nicht vielmehr die Disziplin beschreiben sollte, als das Berufsbild – da das auch gleich die Techniker:innen oder Bauherr:innen beinhalten würde. Das Berufsbild beinhaltet im Moment mehr nur Architekt:innen. Es setzt sich aus mehreren Ideen zusammen und der Architekturentwurf beinhaltet die Synthese aus einem Prozess heraus. Architekt:innen sind zudem auch Unternehmer:innen, tragen eine Verantwortung für das Gegenüber. Die Architektur ist eine politische Diszplin, die innerhalb eines Kontextes steht und in der alles ständig verhandelt wird.
29.4.2023 / Heike Biechteler
Teilnehmer:innen
Beat Aeberhard, Kantonsbaumeister Basel; Robert Albertin, FHGR Chur; Katrin Albrecht OST St. Gallen; Peter Althaus, HSLU Horw; Marc Amman, OST St. Gallen; Walter Angonese, AAM/USI Mendrisio; Christian Auer, FHGR Chur; Nicola Baserga, SUPSI, Lugano; Heike Biechteler, Architekturrat Schweiz; Christoph Blaser, Bundesamt für Energie Bern; Oliver Burch, 8000.agency Zürich; Axel Chevroulet; BFH Burgdorf; Irma Cilacin, SIA Zürich; Dieter Dietz, EPFL
Lausanne; Stéphane Emery, HEIA-FR Fribourg;
Lorenzo Felder, studio di arch. L. Felder, Lugano; Raphaël Frei, pool Architekten, Zürich; Christoph Gantenbein, ETHZ Zürich; Julien Grisel, HEIA-FR Fribourg; Steffen Hägele, ETHZ Zürich; Angelika Hinterbrandner, ETHZ Zürich; Axel Humpert, FHNW Muttenz; Anna Jessen, OST / Architekturrat, St. Gallen / Basel; Philippe Jorisch, JOM Architekten, Zürich; Johannes Käferstein, HSLU Horw; Friederike Kluge, FHNW Muttenz; Henrietta Krüger, SIA Zürich; Anna MacIver-Ek, BFH Burgdorf; Charlotte Malterre-Barthes; EPFL Lausanne; Stefan Marbach, Herzog & de Meuron, Basel; Yves Milani, HEIA-FR Fribourg; Ludovica Molo, BSA Basel / Lugano; Nicolas Monnerat, MPH architectes, Lausanne; Nicolas Pham, HEPIA Genève; Carole Pont, SIA Zürich;
Lea Prati, Atelier Prati Zwartbol, Zürich; Stefanie Reding, Bundesamt für Energie, Bern; Urs Rieder, SIA Zürich; Muriel Rey, HEIA-FR Fribourg; Alexis Ringli, ZHAW Winterthur; Rina Rolli, studioser Lugano; Lando Rossmaier, Architektur Lando Rossmaier, Ennenda; Christian Salewski, Salewski Nater Kretz, Zürich; Caspar Schärer, BSA Basel; Maya Scheibler, FHNW Muttenz; Claudia Schermesser, HEIA-FR Fribourg; Tiziano Schürch, studioser Lugano; Annika Seifert, HSLU Horw; Jonathan Sergison, AAM/USI Mendrisio; Peter Staub, BFH Burgdorf; Reto Steinegger, ZHAW Winterthur; Mirjam Tubajiki, Bundesamt für Umwelt Bern; Beat Waeber, ZHAW Winterthur; Markus Wuest, Bundesamt für Umwelt Bern; Tanya Zein, FAZ architectes, Genève; Stefano Zerbi, SUPSI Lugano; Christian Zimmermann HSLU Horw; Lukas Zurfluh, OST St. Gallen