Logo
Architekturrat der Schweiz
Conseil suisse de l'architecture
Consiglio svizzero dell'architettura
Architectural Council of Switzerland
Cussegl svizzer d'architectura
Kontakt
Geschäftsstelle
E heike.biechteler@architekturrat.ch
T +41 77 411 00 59

Positionspapier: Digitalisierung in der Architektenausbildung Architekturrat der Schweiz (12.August, 2019)

 

Kontext

Die Bauindustrie ist derzeit verantwortlich für den Verbrauch von über 40% der natürlichen Ressourcen, 40% des Energieaufwandes und 50% der Abfallerzeugung weltweit (1).  Ressourcenknappheit, Klimawandel, demographischer Wandel, Migration sowie die zunehmende Anzahl von Interessensvertretern und Vorgaben im Planungs- und Bauprozess stellen zusätzliche Herausforderungen für Architekten und Ingenieure dar. Architekten spielen eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der gebauten Umwelt und tragen Verantwortung, geeignete Methoden und Instrumente zu entwickeln, um diese Herausforderungen bewältigen zu können.

Die Geschichte der Architektur zeigt, wie eng technologischer Fortschritt und Materialwissenschaften mit Architektur und Stadtentwicklung zusammenhängen. Die Design- und Baubranche haben schon immer von der Anwendung moderner Technologien profitiert. Das Potenzial der Digitalisierung reicht heute vom reduzierten Materialeinsatz bis zum klimaorientierten Städtebau auf der Grundlage einer großangelegten Datenanalyse- und verarbeitung. 


Auftrag

Die Verfügbarkeit von Daten, Technologien und künstlicher Intelligenz in unserer digitalen Gesellschaft bietet neue Möglichkeiten, die Herausforderungen, die sich der zeitgenössischen Architektur stellen, zu bewältigen. Der Architekturrat der Schweiz vertritt die Auffassung, dass die Instrumente der Digitalisierung Architekten in die Lage versetzen, Planungs- und Bauprozesse zu steuern, und dazu beitragen, eine nachhaltige Umgebung zu entwickeln, die den räumlichen, sozialen, ökologischen und ökonomischen Anforderungen der künftigen Generationen gerecht wird. Wir sind überzeugt, dass Architekten ihre Herangehensweise an Planungs- und Bauprozesse überdenken und verschiedenste ökologische und materialtechnische Parameter ganzheitlich in ihren Entscheidungsprozess einfliessen lassen müssen. Daher ist es unerlässlich, die nächste Generation von Architekten so auszubilden, dass sie sich der Herausforderungen, mit denen sich unsere Gesellschaft generell konfrontiert sieht, bewusst sind (2). Um diese Herausforderungen effektiv und kreativ anzugehen, ohne dabei an Kompetenz in der Ästhetik und an Verantwortungsbewusstsein einzubüssen, müssen Architekten entsprechend qualifiziert sein.

 

Der Architekturrat der Schweiz erklärt:

•    Die Architektenausbildung muss den Studierenden allen voran die Fertigkeiten und das Wissen der eigenen Disziplin vermitteln. Sie muss die Studenten motivieren sowohl die analogen wie auch digitalen Arbeitshilfen und Planungs- und Bauprozesse zu erproben und mit ihnen zu experimentieren. 

•    Architekturstudenten muss die Möglichkeit gegeben sein, digitale Planungs-, Bau- und Evaluationsprozesse wie zum Beispiel digitale Fertigungsmethoden oder computergestütztes Entwerfen sowie Evaluationssysteme zu erproben, die auf dem letzten Stand der Technik sind. Genauso müssen die Studierenden Zugang zu den neuen Technologien wie künstliche Intelligenz, erweiterte und virtuelle Realität (Augmented and Virtual Reality), maschinelles Lernen (Machine Learning) und Big Data haben.

•    Digitale Technologien ermöglichen es uns, mit zunehmend komplexen Sachverhalten umzugehen, reibungslos mit einer ständig wachsenden Zahl von spezialisierten Fachleuten zusammenzuarbeiten und unseren Auftrag als Architekten zu erfüllen. Die Digitalisierung unterstützt Architekten, fachübergreifend zu arbeiten und verschiedensten Anforderungen während des gesamten Planungs- und Bauprozesses gerecht zu werden. Die Digitalisierung bietet Architekten die Möglichkeit sowohl in der Bauindustrie als auch in der Gesellschaft wieder eine Schlüsselrolle einzunehmen. 

•    Eine interdisziplinäre Bildungskultur fördert innovative Ansätze und definiert die
Bedeutung und Auswirkungen der Digitalisierung neu. Bindet man zeitgenössische Technologien aktiv in interdisziplinäre und strategische Denkprozesse ein, ermöglicht das Studierenden, ihren Beitrag zur Architektur und zum Bauprozess kritisch zu hinterfragen. 

•    Die Digitalisierung in der Architektenausbildung und im Bauwesen muss dazu dienen, die solide und charakteristische Baukultur der Schweiz fortzuschreiben und zu bereichern. Sie trägt dazu bei, die dringlichsten Ziele unserer Gesellschaft zu verwirklichen: Minimierung des Ressourcenverbrauchs, ökonomische und effiziente Flächennutzung sowie die Bereitstellung guter und sicherer Lebens- und Arbeitsbedingungen (3).

•    Die Architekturausbildung mit einem 5-jährigen Curriculum ist nicht darauf ausgelegt, beide Aspekte, die Vermittlung von Fachwissen und die Erforschung eines weit angelegten Spektrums sich schnell verändernder Instrumente und Methoden, zu vermitteln. Schweizer Architekturschulen müssen Bildungsplattformen für praktizierende Architekten bieten, die so ihr gesamtes Berufsleben lang auf ihrem vorhandenen Wissen aufbauen, neue Fähigkeiten und Berufsaussichten erwerben und sich in ihrem Fachbereich spezialisieren können.

•    Digitalisierung bedeutet, dass Architekturschulen ein vielfältiges Angebot an Didaktik anbieten müssen, das Fachkompetenz, Wissen und modernste Infrastruktur umfasst. Ein enges und aktives Netzwerk zwischen Technischen Universitäten und Fachhochschulen kann Studierenden einen interessanten und vielfältigen Lehrplan bieten und dazu beitragen, die Qualität der Schweizer Architektur weiterhin fortzuentwickeln.


Fazit

Die Digitalisierung verändert den Bauprozess. Schweizer Architekturschulen müssen die Digitalisierung in die akademische Lehre und Forschung integrieren, ohne dabei ihre Kernkompetenz aus dem Blick zu verlieren: die Verantwortung für die Gestaltung der qualitativen und intellektuellen Aspekte des Raumes. Der Architekturrat der Schweiz spricht diese Verantwortung der Architektenausbildung zu und passt das Berufsbild des Architekten an den Paradigmenwechsel an, den die Digitalisierung eingeläutet hat. Schweizer Architekturschulen sind der ideale Ort, um die immensen Herausforderungen, die vor uns und den künftigen Generationen liegen, zu bewältigen.

 

1 Bundesamt für Umwelt BAFU, 2018
2 International Union of Architects UIA, 2017
3 Bundesamt für Umwelt BAFU, 2018